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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.11.2004
Aktenzeichen: 5 W 384/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG, KostO
Vorschriften:
BGB § 157 | |
BGB § 2069 | |
BGB § 2102 Abs. 1 | |
BGB § 2270 Abs. 2 | |
BGB § 2271 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 | |
FGG § 13 a Abs. 1 S. 2 | |
FGG § 19 | |
FGG § 27 | |
FGG § 29 | |
KostO § 30 Abs. 1 | |
KostO § 131 Abs. 2 |
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2) hat die dem Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 10.225,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind die Kinder der Erblasserin aus ihrer Ehe mit Karl L, der am 23.05.1973 vorverstorben ist. Die weitere Tochter Elisabeth ist am 17.04.1987 ohne Hinterlassung von Abkömmlingen ebenfalls vorverstorben.
Die Erblasserin und ihr Ehemann errichteten am 27.10.1971 ein notarielles Testament (UR-Nr. 00/1971 Notar T in E), das folgenden Wortlaut hat:
"1.) Wir setzen uns gegenseitig zu Vorerben ein. Der Überlebende von uns soll von allen Beschränkungen befreit sein, soweit es das Gesetz zuläßt.
2.) Nach dem Tode des Längstlebenden sollen unsere nachstehend aufgeführten 3 Kinder Nacherben zu gleichen Teilen sein:
a) Elisabeth L, geb. 28.3.1946
b) Mechtild L, geb. 8.2.1949
c) Karl-Bernhard L, geb. 24.11.1950
3.) Unser Sohn Karl-Bernhard erhält nach dem Tode des Letztlebenden als Vorausvermächtnis ohne Anrechnung auf seinen Erbteil DM 60.000,--; mindestens aber einen Betrag, welcher der Hälfte des Zeitwertes des Hauses (ohne Grundstück) in E, M-straße 6 entspricht. Falls im Zeitpunkt des Todes des Letztlebenden auch das Grundstück Eigentum des oder der Erblasser geworden ist, erhält er auch den Grund und Boden.
4.) Es wird folgende Teilungsanordnung getroffen:
a) Unser Sohn Karl-Bernhard erhält das Haus in E, M-straße 6;
b) Unsere beiden Töchter Elisabeth und Mechtild erhalten zu je einhalb Anteil das Haus mit Grundstück in A, I-tal 82.
5.) Wenn eines unserer Kinder aus dem Nachlaß des Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, erhält es auch aus dem Nachlaß des Zuletztversterbenden nur den Pflichtteil.
Der freiwerdende Erbteil wächst sodann den übrigen Kindern im gleichen Verhältnis zu.
6.) Falls eine unserer Töchter oder beide Töchter eine Aussteuer erhalten, haben sie sich den Wert dieser Aussteuer auf ihren demnächstigen Erbteil nach dem Tode des Letztlebenden von uns anrechnen zu lassen.
7.) Jedes Kind hat im Falle der Veräußerung des Hauses und Grundstücks (Ziff. 4 a bzw. 4 b) das Vorkaufsrecht."
Die in diesem Testament erwähnten Immobilien - bei dem Haus M-str. 6 in E handelte es sich um ein Erbbaurecht - standen im Alleineigentum des Ehemannes. Beide Immobilien verkaufte die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes und erwarb für sich eine Eigentumswohnung, die sie zunächst mit einer in demselben Objekt gelegenen Eigentumswohnung der Beteiligten zu 2) tauschte und dieser sodann bereits zu Lebzeiten durch notariellen Vertrag vom 21.12.2000 übertrug.
Ebenfalls am 21.12.2000 errichtete die Erblasserin ein notarielles Einzeltestament, in dem sie die Beteiligte zu 2) zu ihrer Alleinerbin berief. In diesem Testament brachte die Erblasserin nach notarieller Belehrung über die Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB ihre Auffassung zum Ausdruck, in ihrer Testierfreiheit nicht beschränkt zu sein, weil das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 27.10.1971 keine Regelung über die Erbfolge nach dem letztversterbenden Ehegatten enthalte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf das eröffnete Testament vom 21.12.2000 Bezug genommen.
Der Beteiligte zu 1) hat in notarieller Urkunde vom 04.07.2003 (UR-Nr. 00/2003 Notar K in E) die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der ihn und die Beteiligte zu 2) zu je 1/2 Anteil als Erben ausweisen soll. Zur Begründung hat er mit näheren Einzelheiten die Auffassung vertreten, das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 27.10.1971 sei dahin auszulegen, dass die als Nacherben berufenen gemeinsamen Kinder auch als Erben des letztversterbenden Ehegatten eingesetzt seien. Diese Erbeinsetzung sei wechselbezüglich mit der Folge, dass die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes gehindert gewesen sei, diese Verfügung zu widerrufen.
Die Beteiligte zu 2) ist dem Antrag entgegengetreten. Sie nimmt für sich in Anspruch, durch das Testament der Erblasserin vom 21.12.2000 zu deren Alleinerbin berufen zu sein. So zu verfügen, sei die Erblasserin nicht gehindert gewesen, weil das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 27.10.1971 keine Regelung für die Erbfolge nach dem letztversterbenden Ehegatten enthalte.
Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 12.03.2004 einen Vorbescheid erlassen, in dem es die antragsgemäße Erteilung eines Erbscheins angekündigt hat. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat das Landgericht durch Beschluss vom 25.05.2004 zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2), die sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 29.07.2004 bei dem Amtsgericht eingelegt hat.
Der Beteiligte zu 1) beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2) folgt bereits daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 12.03.2004 ausgegangen. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen Vorbescheid im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins, dessen Zulässigkeit und Rechtsmittelfähigkeit im Sinne des § 19 FGG in der Rechtsprechung anerkannt ist (BGHZ 20, 255).
Auch in der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand.
Das Landgericht hat mit der nachstehend näher behandelten Begründung das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 27.10.1971 mit dem Ergebnis ausgelegt, dass es über die Einsetzung von Vor- und Nacherben für den Nachlass des Erstversterbenden hinaus auch eine Einsetzung der gemeinsamen Kinder zu Ersatzerben für den Nachlass des Letztversterbenden enthält. Auch diese Einsetzung zu Ersatzerben sei wechselbezüglich, so dass die Erblasserin gem. § 2271 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 BGB gehindert gewesen sei, nach dem Tode ihres Ehemannes die Rechtsstellung der durch das gemeinschaftliche Ehegattentestament Berufenen durch eine weitere letztwillige Verfügung zu beeinträchtigen.
Die Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen und damit auch von Testamenten und Erbverträgen ist dem Tatrichter vorbehalten. Die Auslegung des Landgerichts kann im Verfahren der weiteren Beschwerde nur beschränkt, nämlich dahin nachgeprüft werden, ob sie nach den Denkgesetzen und der feststehenden Erfahrung möglich ist - sie muss nicht zwingend sein -, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut der Erklärung nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 27, Rdnr. 49 m.w.N.). Einen solchen Rechtsfehler lässt die Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen.
Die Kammer ist bei ihren Erwägungen von zutreffenden Auslegungskriterien ausgegangen. Bei der Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments ist anhand des Wortlautes und außerhalb der Testamentsurkunde liegender Umstände der subjektive Erblasserwille beider Ehegatten zu ermitteln. § 157 BGB ist entsprechend anzuwenden. Jeder Ehegatte muss die Möglichkeit haben, sich bei seinen Verfügungen auf diejenigen des anderen Teils einzustellen und umgekehrt (BGH NJW 1993, 256). Das Landgericht hat bei seiner Auslegung berücksichtigt, dass der Wortlaut der notariellen Urkunde eine ausdrückliche Einsetzung der Kinder als Ersatzerben für den Nachlass des letztversterbenden Ehegatten nicht enthält. Auslegungsmethodisch hat sich die Kammer durch diesen Gesichtspunkt zu Recht nicht gehindert gesehen festzustellen, dass die Ehegatten gleichwohl ihre Kinder auch zu Erben des letztversterbenden Ehegatten einsetzen wollten. Denn es ist anerkannt, dass dem festgestellten Willen der testierenden Ehegatten Vorrang gegenüber dem Wortlaut der Testamentsurkunde zukommt, und zwar auch dann, wenn es sich wie hier um ein notarielles Testament handelt (vgl. etwa KG NJW-RR 1987, 451). Die notarielle Belehrungspflicht (§ 17 BeurkG) kann die Möglichkeit, dass der vom Notar formulierte Wortlaut den Willen der testierenden Ehegatten nur unpräzise erfasst, nicht ausschließen. Dies gilt insbesondere, wenn der Wortlaut des Testaments eine nahe liegende Regelung nicht enthält. Das ist hier der Fall, weil bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament, das der Trennungslösung folgt, sprachlich neben der angeordneten Vor- und Nacherbfolge für den Nachlass des erstversterbenden Ehegatten eine zusätzliche Regelung für die Erbfolge nach dem letztversterbenden Ehegatten erforderlich ist, wenn sie von den Ehegatten gewollt ist. Denn nach dem letztversterbenden Ehegatten kommt es in diesen Fällen gerade nicht zu einer Vor- und Nacherbfolge. Wenn der überlebende Ehegatte sich nach notarieller Belehrung eine gesonderte Regelung für seinen Nachlass noch vorbehalten will, wird dies regelmäßig in einer notariellen Urkunde entsprechend zum Ausdruck kommen. Die Vielzahl obergerichtlicher Entscheidungen, die sich immer wieder mit der Frage einer Auslegung auch in notarieller Form errichteter gemeinschaftlicher Ehegattentestamente zu befassen hatten, in der die Trennungslösung angeordnet worden, jedoch eine ausdrückliche Erbeinsetzung für den Nachlass des letztversterbenden Ehegatten nicht getroffen worden war (BGH FamRZ 1987, 475; NJWE-FER 1999, 37; KG a.a.O; OLG Hamburg FGPrax 1999, 225; OLG Köln FGPrax 2000, 89; OLG Celle FamRZ 2003, 887; Senat Rpfleger 2001, 595) spricht im Hinblick auf die Auslegungsfähigkeit und Auslegungsbedürftigkeit eines solchen Testaments für sich. Deshalb schließt der Gesichtspunkt, dass sich bei einem gemeinschaftlichen Testament, das der Einheitslösung (§ 2269 BGB) folgt, die Auslegungsfrage im Hinblick auf eine gewollte Schlusserbeinsetzung der gemeinsamen Kinder nach dem letztversterbenden Ehegatten in ähnlicher Weise stellen kann, die Auslegungsfähigkeit eines Testamentes mit einer angeordneten Vor- und Nacherbfolge nach dem erstverstorbenen Ehegatten nicht aus. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der von der weiteren Beschwerde angeführten Entscheidung des OLG Frankfurt (FGPrax 2001, 246) ableiten.
Das Landgericht hat seine konkrete Auslegung des Testaments vom 27.10.1971 maßgebend dahin begründet, bereits der Eingang der Ziff. 2 der Urkunde "Nach dem Tode des Letztversterbenden" spreche dafür, dass die Regelung inhaltlich nicht nur für die mit dessen Tod eintretende Nacherbfolge, sondern auch für den Nachlass des Letztversterbenden getroffen werden sollte. Ein starkes Indiz für einen solchen Willen der Ehegatten ergebe sich darüber hinaus aus den Detailregelungen in den Ziff. 3 bis 7 des Testamentes, die ein Vorausvermächtnis für den Beteiligten zu 1), eine Teilungsanordnung, eine Pflichtteilsstrafklausel sowie eine Ausgleichsregelung für die Erbauseinandersetzung sowie die Anordnung eines Vorkaufsrechts enthalten.
Diese Würdigung ist entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde nicht nur rechtlich möglich, sondern sogar nahe liegend. Das Landgericht hat ersichtlich in tatsächlicher Hinsicht berücksichtigt, dass das beiderseitige Vermögen der Ehegatten seinem Wert nach schwerpunktmäßig im Eigentum des erstverstorbenen Ehemannes stand, insbesondere im Hinblick auf die beiden Immobilien in E und in A. Dies folgt bereits daraus, dass die Kammer wegen der Einzelheiten auf das notarielle Testament der Erblasserin vom 21.12.2000 Bezug genommen hat, in der die Vermögensverhältnisse in diesem Punkt einschließlich der bis dahin eingetretenen Veränderungen näher dargestellt sind. Nur bei vordergründiger Betrachtung könnte die Auffassung der weiteren Beschwerde zutreffen, das Vorausvermächtnis und die Teilungsanordnung beziehe sich nur auf das Vermögen des Ehemannes, betreffe also nur die für seinen Nachlass eingetretene Nacherbfolge. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass die Testamentsauslegung maßgebend den Willen der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu ermitteln hat. Zu diesem Zeitpunkt (1971) war jedoch ungewiss, welcher der beiden Ehegatten als erster versterben würde. Wäre die Ehefrau als erste verstorben, hätte sich in umgekehrter Weise die Frage gestellt, ob eine Erbfolge für den überlebenden Ehemann angeordnet und für diese die genannten Detailregelungen (Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung) getroffen werden sollten. Die in dem Testament für den Nachlass des Ehemannes erfolgten weiteren Anordnungen sollten aber ersichtlich unabhängig davon gelten, in welcher Reihenfolge die Ehegatten versterben. Für einen abweichenden Willen der Ehegatten ergeben sich keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte.
Überdies lassen sich unmittelbar aus dem Wortlaut der notariellen Urkunde Anknüpfungspunkte dafür herleiten, dass die Ehegatten ihre Anordnungen gleichzeitig auch für die Erbfolge nach dem Letztversterbenden treffen wollten. So heißt es im letzten Satz der Ziff. 3, dass sich das Vorausvermächtnis auch auf das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück erstrecke, falls im Zeitpunkt des Todes des Letztlebenden auch das Grundstück Eigentum "des oder der Erblasser" geworden sei. Diese Regelung bezieht sich also auch auf den Fall, dass erst der überlebende Ehegatte das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück erwerben sollte. Das ausgesetzte Vorausvermächtnis zugunsten des Beteiligten zu 1) beschwert in dieser ausdrücklich berücksichtigten Konstellation also ausschließlich den Nachlass des überlebenden Ehegatten. Auch die sprachliche Fassung der Ziff. 6 des Testaments deutet darauf hin, dass sich die getroffene Anrechnungsbestimmung auf den Nachlass des letztversterbenden Elternteils bezieht ("... haben sie sich den Wert dieser Aussteuer auf ihren demnächstigen Erbteil nach dem Tode des Letztlebenden von uns anrechnen zu lassen"). Einen Erbteil nach dem Tode des Letztlebenden kann jedoch nur derjenige erhalten, der auch Erbe des Letztlebenden wird; der Nacherbe ist hingegen Erbe des erstverstorbenen Ehegatten bezogen auf dessen Nachlass. Für die feinsinnigen Unterscheidungen der weiteren Beschwerde, die getroffene Regelung beziehe sich gleichwohl auf die Nacherbfolge, je nachdem, ob die jeweilige Aussteuer aus dem Vermögen der Mutter oder des Vaters gewährt worden sei, ist deshalb kein Raum.
Ferner ist es rechtlich möglich und in dem vorliegenden Zusammenhang sogar nahe liegend, die Pflichtteilsstrafklausel als Hinweis auf eine gewollte Regelung der Erbfolge auch nach dem letztverstorbenen Ehegatten zu verstehen. Bei isolierter Bewertung kann sich zwar eine Pflichtteilsklausel auf die Bedeutung eines Ausschlusses desjenigen Kindes von der Erbfolge (§ 1938 BGB) beschränken, das nach dem Tode des erstversterbenden Ehegatten den Pflichtteil verlangt. Die Pflichtteilsstrafklausel als Instrument, ein gutes familiäres Einvernehmen über die Erbfolge zwischen Eltern und gemeinsamen Kindern zu erhalten, wird jedoch ihre beabsichtigte Wirkung nur erreichen können, wenn sie quasi als Gegenleistung für das erwartete Wohlverhalten eine erbrechtliche Zuwendung an die Kinder nach dem Tode des letztversterbenden Elternteils umfasst. Die Feststellung der Bedeutung, die die Ehegatten mit einer Pflichtteilstrafklausel haben verbinden wollen, ist zwar eine Frage der Testamentsauslegung im Einzelfall (vgl. Senat OLGR 2004, 210). Ergeben sich jedoch - wie hier - sowohl aus dem Wortlaut des Testaments als auch aus seinem Regelungszusammenhang deutliche Anhaltspunkte für eine gewollte Regelung der Erbfolge auch nach dem Tode des letztversterbenden Ehegatten, so ist es keineswegs rechtsfehlerhaft, wenn nicht sogar nahe liegend, im Rahmen der Gesamtabwägung die Pflichtteilsstrafklausel als zusätzlichen Hinweis in dieselbe Richtung zu bewerten.
Rechtlich unbedenklich hat das Landgericht weiter die Erklärungen der Erblasserin in ihrem notariellen Testament vom 21.12.2000 in tatsächlicher Hinsicht nicht für geeignet gehalten, einen zuverlässigen Rückschluss auf einen dem bisherigen Auslegungsergebnis entgegenstehenden gemeinschaftlichen Willen der Ehegatten zuzulassen. Die Erklärungen der Erblasserin enthalten - wie die Kammer zu Recht ausgeführt hat - bereits inhaltlich keine Angaben zu der tatsächlichen Willensrichtung der Ehegatten zum Zeitpunkt Testamentserrichtung, sie beschränken sich auf die Hervorhebung, das Testament vom 27.10.1971 enthalte seinem Wortlaut nach keine ausdrückliche Erbeinsetzung für den Nachlass des überlebenden Ehegatten, sie, die Erblasserin, sehe sich durch die Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB in ihrer Testierfreiheit nicht beschränkt.
Da das Landgericht in rechtsfehlerfreier Weise eine Regelung der Erbfolge nach der Erblasserin als der letztversterbenden Ehefrau bereits im Wege der individuellen Auslegung des Testaments festgestellt hat, kommt es auf die Anwendung des Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB in diesem Zusammenhang nicht an.
Die Kammer hat schließlich rechtlich unbedenklich angenommen, die Erbeinsetzung der Kinder durch die Erblasserin für ihren Nachlass stehe im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zu der Verfügung des Ehemannes, durch die er die Erblasserin als seine befreite Vorerbin berufen hat. Das Landgericht hat keine tatsächlichen Anhaltspunkte feststellen können, die konkret für oder gegen eine gewollte innere Abhängigkeit der beiden genannten Verfügungen sprechen könnten. Einen solchen Anhaltspunkt hat die Kammer insbesondere nicht der Regelung des Testaments entnehmen können, durch die der überlebende Ehegatte im gesetzlich zulässigen Umfang von allen Beschränkungen befreit sein soll. Denn diese Regelung beziehe sich seinem Inhalt und Zusammenhang nach lediglich auf die Einsetzung des überlebenden Ehegatten zum Vorerben des Erstverstorbenen, indem dieser von den Beschränkungen der Nacherbfolge in weitest gehendem Umfang befreit werde (§ 2136 BGB), treffe jedoch keine Regelung zu der im Wege der Auslegung festgestellten Erbeinsetzung des letztversterbenden Ehegatten für seinen Nachlass. Diese Erwägungen sind in keiner Richtung rechtlich zu beanstanden. Auch die weitere Beschwerde wendet sich weder gegen diesen Punkt noch gegen die weitere Schlussfolgerung der Kammer, das Vorbringen der Beteiligten biete keine Grundlage für weitergehende tatsächliche Ermittlungen (§ 12 FGG).
Mangels weiter führender tatsächlicher Anhaltspunkte hat das Landgericht daher zu Recht die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB angewandt, deren tatsächliche Voraussetzungen hier vorliegen. Denn der Ehemann der Erblasserin hat diese zu seiner Vorerbin eingesetzt, die ihrerseits die gemeinsamen Abkömmlinge zu gleichen Teilen als Erben für ihren Nachlass berufen hat. In einem solchen Fall ist nach § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, dass die Verfügungen der Ehegatten im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zueinander stehen sollen.
Die Bedenken, die die weitere Beschwerde gegen die Anwendung der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB erhebt, sind nicht gerechtfertigt. Schon die Prämisse dieser Bedenken, die Ersatzerbenberufung der gemeinsamen Kinder auf den Nachlass der überlebenden Ehefrau ergebe sich allenfalls durch Anwendung der Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB, trifft nicht zu, weil das Landgericht bereits im Wege der individuellen Auslegung des gemeinschaftlichen Ehegattentestaments rechtsfehlerfrei zu demselben Ergebnis gelangt ist. Der Senat hat deshalb keinen Anlass, zu der Auffassung der weiteren Beschwerde Stellung zu nehmen, eine Kumulation der Auslegungsregeln des § 2102 Abs. 1 BGB mit derjenigen des § 2270 Abs. 2 BGB sei in Analogie zu der neueren Rechtsprechung des BGH (FGPrax 2002, 120 = NJW 2002, 1126) zum Verhältnis zwischen der Auslegungsregel des § 2069 BGB und derjenigen des § 2270 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Es besteht lediglich Anlass zu dem Hinweis, dass gegen eine analoge Heranziehung der Rechtsprechung des BGH schon deshalb Bedenken bestünden, weil die Nacherben hier namentlich benannt sind. Die Auslegungsvorschrift des § 2102 Abs. 1 BGB will lediglich gewährleisten, dass in Fällen, in denen die Einsetzung eines Nacherben wegen Wegfalls des Vorerben nicht zum Tragen kommt, die letztwillige Verfügung ihre Wirksamkeit behält, indem der Nacherbe ersatzweise als (Voll)Erbe berufen ist. Die Auslegungsregel des Gesetzes beruht auf der Lebenserfahrung, dass der Erblasser den Rechtserwerb des Nacherben nur mit Rücksicht auf den Vorerben hinausschieben will, bei dessen Wegfall also für den Erblasser kein Grund besteht, dem als Nacherben Berufenen die Erbschaft nicht sogleich zukommen zu lassen. Dieser Wertungszusammenhang kommt nach zwischenzeitlich nahezu einhelliger Auffassung auch bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament zum Tragen, in dem die Ehegatten sich gegenseitig zu Vorerben und die gemeinsamen Kinder zu Nacherben berufen (vgl. die eingangs genannten Entscheidungen zur Auslegungsfähigkeit des Testaments in diesem Punkt). Die von der weiteren Beschwerde angeführte neuere Entscheidung des BGH leitet demgegenüber Bedenken gegen eine Kumulation der Auslegungsregeln des § 2069 BGB und des § 2270 Abs. 2 BGB daraus her, dass es sich in diesen Fällen um eine Ersatzerbfolge namentlich nicht benannter Personen der Enkelgeneration handelt, bei der aus der maßgeblichen Sicht der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht von einem typischerweise gewollten Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen dieser und der gegenseitigen Berufung der Ehegatten ausgegangen werden könne. Für eine Übertragung der Grundsätze der genannten Entscheidung des BGH auf die hier vorliegende Fallgestaltung dürften deshalb die erforderlichen Grundlagen fehlen.
Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde folgt aus der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.
Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO und folgt der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung der landgerichtlichen Entscheidung.
Ende der Entscheidung
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